Streuobst trifft Digitalisierung in Kottenheim
Mit einem LEADER-Projekt startete die Kulturinitiative Streuobstwiesen Kottenheim e. V. handfesten Naturschutz: Die wertvollen Bäume rund um das Dorf sind in einer Datenbank erfasst, die Nutzung, Sorten und Artenschutz miteinander verbindet. Dafür erhielt der Verein den EIFEL Award 2024.
Streuobstwiesen sind ein uraltes Kulturgut der Eifel und zugleich wertvolle Habitate für viele Tierarten. Doch immer weniger werden sie gepflegt und genutzt, so dass sie entweder abgeholzt werden und moderner Landwirtschaft weichen müssen oder verbuschen. Manche werden auch zu Neubaugebieten. Andreas Hesse und einige Mitstreiter jedoch erkannten das Potenzial der rund 2500 Obstbäume auf den Wiesen rund um seinen Heimatort Kottenheim und gründeten 2017 eine Natur- und Kulturinitiative in Vereinsform, die mit ihren mittlerweile 560 Mitgliedern für die 2600-Einwohner-Gemeinde ein außerordentlicher Erfolg ist. „Es war natürlich ein aufwändiges Abenteuer, LEADER-Förderung zu beantragen“, blickt Hesse zurück, „aber es hat sich gelohnt. Denn die damit verbundene Transparenz auch in Richtung von privaten Geldgebern kommt der Idee zugute, auf den Wert der historischen Streuobstwiesen gerade in unserer Zeit aufmerksam zu machen.“ Es gehe dem Verein an keiner Stelle um Profit, sondern um Erhalt des kulturellen Erbes, Naturschutz, Umweltbildung und Bewusstsein für ein regionales Produkt.
Kartieren, pflegen, pflanzen und ernten
Es handelt sich beim Bestand rund um Kottenheim überwiegend um Apfelbäume, aber auch Birnbäume, Pflaumenbäume oder Mirabellen gibt es. Teils sind es alte, robuste Sorten, die besondere Nutzungen erfordern. „Wir haben bereits 650 neue Bäume gepflanzt und rund 1000 etwa mit professionellem Baumschnitt oder Befreiung von Misteln gepflegt“, schildert Hesse Outdoor-Aktivitäten, die auch zum Vereinsleben gehören. Abgestorbene Bäume dürfen als Habitat für Insekten und Vögel stehenbleiben. Die Ernte gehört ebenso dazu wie die Anlieferung an eine Obstpresse im nahen Koblenz-Güls, wo in guten Erntejahren rund 8000 Flaschen „Kotteme Appelsaft“ abgefüllt werden, die wiederum an die Vereinsmitglieder oder andere Kottenheimer verkauft werden. Es ist ein geschlossener lokaler Wertschöpfungskreislauf entstanden. Besonders ist die Datenbank, die aufgebaut wurde und die auch Touristen, Spaziergängern oder Nicht-Mitgliedern per QR-Code an jedem Baum erzählt, was es mit ihm auf sich hat.
Durchblick für Naturliebhaber
Jeder gepflegte oder neu angepflanzte Obstbaum verrät dank Digitalisierung seine Geheimnisse: Es wird ersichtlich, ob beispielsweise Spaziergänger das Obst kostenfrei pflücken dürfen, wer Eigentümer ist, um welche Sorte es sich handelt, welchen Tieren und Pflanzen er Nahrung und Wohnung bietet oder welche Förderungen und Maßnahmen mit ihm verbunden sind. „Die Datenbank hilft zugleich, den Verein und seine Aktivitäten effizient zu managen, die Geldmittel transparent zu machen oder neue Sponsoren und Partner zu überzeugen.“ Sogar überregionale Partner wie der Marmeladenhersteller Zentis oder der Marktplatz bessergruen.de wurden gewonnen – eine vorbildliche Verbindung von Profis und dem Ehrenamt der Kulturinitiative. Wichtig ist auch, dass nicht zuletzt dank der digitalen Nachvollziehbarkeit bislang rund 200 Besitzer von Streuobstwiesen sahen, wie wertvoll ihr „Schatz“ ist, so dass sie Nutzungsvereinbarungen unterzeichneten.