Einen Kosmos der Klänge erschaffen
In einem grünen Seitental bei Eupen in Ostbelgien baut und rekonstruiert die Orgelbau Schumacher GmbH neue und historische Orgeln. Die Arbeit verbindet Musikwissenschaft mit höchster handwerklicher Präzision.
Wer mit Guido Schumacher über seinen Beruf spricht, merkt sogleich, was das A und O des Orgelbaus ist: eine nie nachlassende Begeisterung für die Gratwanderung zwischen Kunst und Handwerk. Sie treibt den Kunst- und Musikwissenschaftler, der sein Studium in Lüttich mit einer Arbeit zu zwei Orgelbau-Dynastien des 18. Jahrhunderts abschloss, an. Der Name Schumacher steht selbst schon für eine Familientradition. Gegründet wurde der Betrieb von Tischlermeister Stephan Schumacher, der nach dem zweiten Weltkrieg bei renommierten Orgelbauern in Belgien, Luxemburg und Deutschland arbeitete und mit eigenen Innovationen wie etwa hölzernen Labialpfeifen in der gut vernetzten Branche von sich reden machte. Heute ist Orgelbau Schumacher eine echte Institution, mit 14 Beschäftigten das größte Unternehmen seiner Art in Belgien und verwirklicht in ganz Europa atemberaubende Projekte. Ein Höhepunkt war die Restaurierung der monumentalen Schyven-Orgel der Kathedrale von Antwerpen.
Orgeln sind faszinierende Gesamtkunstwerke
Das nächste Objekt dieser Klasse steht bereits in der hellen, modern ausgestatteten Werkstatt im Langesthal bei Eupen: die wichtigste Orgel der Kathedrale von Brügge. Die kunstvoll geschnitzten Aufsätze und Figuren werden in unendlich vielen Stunden von Anstrichen befreit und in die originale Schönheit zurückversetzt. Das prachtvolle Instrument erhält ein neues Innenleben aus unzähligen, hölzernen beziehungsweise metallenen Einzelteilen. Manche sind sehr filigran, andere imposant… alles ist millimetergenau aufeinander abgestimmt. Die Teile entstehen in der eigenen Werkstatt aus Rohstoffen, die Fertigungstiefe ist enorm. Das Lager beherbergt zudem Teile von abgebauten Orgeln, um Restaurierungen möglichst originalgetreu ausführen zu können. „Keine Orgel ist wie die andere, jede ist eingebettet in eine unverwechselbare Geschichte an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Region, in einer musikalischen und architektonischen Stilepoche“, schildert Guido Schumacher die Komplexität der Instrumente. Die Auswahl der Hölzer oder die Mischung der Blei-Zinn-Legierung verraten, wo eine historische Orgel ursprünglich entstand. Entsprechend vielfältig ist der Lehrberuf. „Es braucht noch mindestens fünf Jahre Erfahrung, bis man nach absolvierter Prüfung selbstständig arbeiten kann.“ In einer einzigen Orgel stecken zigtausende Arbeitsstunden.
Stolz sein auf das Ergebnis eigener Arbeit
Schumacher bildet neben Orgelbauern auch Möbelschreiner, Pfeifenmacher und Möbelrestauratoren aus. „Ein ‚Völkchen‘ für sich sind die Intonateure, die neben dem handwerklichen Geschick ein perfektes Gehör und Musikalität mitbringen.“ Sie bleiben während des gesamten Aufbaus einer Orgel vor Ort und kommen in vielen Ländern und Städten herum. Natürlich gehört auch geschäftliches Geschick zu einem erfolgreichen Orgelbaubetrieb, genauso wie der gute Kontakt zu Denkmalschützern. Viele Aufträge werden nicht allein nach Preisgefüge ausgeschrieben, sondern in Form von Wettbewerben vergeben. Die in zwei Generationen erarbeitete hohe Reputation von Orgelbau Schumacher führt zu anspruchsvollen Aufgaben. Das wirkt sich auf das gesamte Team aus. „Langweilig wird es nie, denn wir arbeiten immer an einem Unikat. Wenn wir beim Einweihungsgottesdienst zum ersten Mal den vollen Klang hören und wir stehen für die versammelte Kirchengemeinde auf… das macht stolz und sehr glücklich!“