Ein Wohnprojekt, das Schule macht
Einst gingen sie hier in den Unterricht, heute wohnen sie als gute Gemeinschaft unter einem Dach. Die sanierte alte Schule in Zemmer und das benachbarte neue Mehrgenerationenhaus bilden ein kommunikatives Ensemble für ehemalige Schüler samt Familien und neuen Dorfbewohner.
Für Rita und Achim Nottinger war die Beziehung zur ehemaligen Schule in Zemmer Liebe auf den zweiten Blick. Als der Ortsbürgermeister die beiden Immobilienfachleute darauf ansprach, das verfallene unter Denkmalschutz stehende Objekt zu kaufen, war die Begeisterung noch sehr zurückhaltend. Sie ließen das Gebäude auf sich wirken und erkannten Charme und Potenzial. Zunächst steckten sie zwei Jahre Grundlagenarbeit in Bau- und Bodenuntersuchungen, Planungen, Gespräche mit Architekten, Nachbarn und Denkmalpflegern – und entschieden dann: wir packen es an!
Ein Stück Heimat bewahren
„Ich bin selbst ein paar Jahre hier zur Grundschule gegangen“, erinnert sich Rita Nottinger. „Schon immer hatte ich eine besondere Beziehung zu dem imposanten Gebäude mit seiner Geschichte.“ Ihr Ehemann bezeichnet sich selbst als Mensch, der Herausforderungen sucht und liebt. Und genau davon haben die beiden Meter um Meter gefunden. „Über 100 Tonnen Schutt wurden händisch und mit Schubkarren aus dem Bau herausgebracht“, erinnert sich Achim Nottinger. Für eine barrierefreie Wohnung musste die Bodenplatte tiefer gelegt werden, um die notwendige Raumhöhe zu erreichen. Die Statik wurde vom Fundament bis zum Dachstuhl neu konzipiert. Die energetische Sanierung samt Installation einer Wärmepumpenheizung war anspruchsvoll. Die Abstimmungen mit dem Denkmalamt drehen sich oftmals um kleinste Details: „Beispielsweise haben wir wegen der Fenstersprossen mit Behörde und Handwerkern um Zentimeter diskutiert – aber stets konstruktiv und zielführend“, so die beiden. Zwei Jahre lang haben sie fast täglich auf der Baustelle verbracht, um Handwerker zu koordinieren und immer wieder neue Entscheidungen zu treffen. Nicht nur im Altbau, sondern auch im gegenüberliegenden Neubau, den sie parallel hochzogen. Dieses Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen bildet zusammen mit dem ehemaligen Schulhof und dem Schulgarten das neue Wohn-Ensemble.
Ein Lebensort mit besonderem Charakter
„Schon während der Bauphase war das Interesse der Dorfbevölkerung an dem, was hier entstand, enorm“, so die Nottingers. Vor allem ehemalige Schüler waren von der Wandlung der Lehrräume zu Wohnräumen begeistert. So sehr, dass in fünf der sieben Wohnungen heute ehemalige Pennäler teils mit Partnern wohnen. An die ursprüngliche Nutzung erinnern noch die vielen Details in den Fluren wie alte Tafeln, Lampen, die Schulglocke oder Bilder.
In das gegenüberliegende Mehrfamilienhaus sind Menschen aus der Umgebung oder mit Bezug zur Ortschaft eingezogen. So wie die beiden Rentner Rosemarie und Manfred Walter. Sie verkauften ihr Haus im Odenwald, um zu Kindern und Enkelkindern nach Zemmer zu ziehen. „Wir fühlen uns hier in dieser tollen Gemeinschaft pudelwohl“, so die beiden. In der Hofgemeinschaft helfe man sich gegenseitig, man treffe sich spontan auf ein Bier oder mal mit allen zum Grillen in der großzügigen, schön angelegten Gartenanlage. Auch ein gemeinschaftlicher Hobbyraum ist gerade im Aufbau und soll bald allen Bewohnern als Treffpunkt zur Verfügung stehen. Man merkt dem rüstigen Paar an, wie sehr es das nachbarschaftliche Miteinander genießt. Außerdem die Arbeit in ihrem kleinen Gärtchen. „Als wir uns räumlich verkleinerten, mussten wir Vieles zurücklassen. Doch auf eine Garage mit Werkbank und einen kleinen Garten wollten wir im neuen Zuhause nicht verzichten“, so Manfred Walter, der jeden Tag auf dem Wohnhof nach dem Rechten sieht. Auch in der Dorfgemeinschaft seien sie sehr gut aufgenommen worden: „Die Menschen hier sind herzlich und ehrlich“.